"Wir sind auf dem Weg"
„So viele Menschen, aber ein Glaube an Gott" - mit diesen Worten fast ein Mann aus der vietnamesischen Gemeinde das Fest Mariä Geburt in der Frauenfriedenskirche in Frankfurt-Bockenheim zusammen. Zum ersten Mal ist er dabei und findet das Erlebnis beeindruckend. Die Gemeinden anderer Muttersprache des Bistums Limburg feiern das Fest Mariä Geburt jedes Jahr unter dem Motto „Maria, Mutter aller Völker“ seit elf Jahren. Es gibt ein Hochamt, eine Prozession mit sakramentalem Segen und im Anschluss mitgebrachte internationale Köstlichkeiten. Es sind mehrere Hunderte von Gläubigen, die dieses Jahr in die Frauenfriedenkirche gekommen sind. Eine Frau aus der vietnamesischen Gemeinde erklärt: „Wir feiern die Geburt Mutter Maria und es ist für uns ganz, ganz wichtig. Es verbindet die Menschen, hier zu sein mit anderen Gemeinden.“
Alle sind bereit
Vor dem Gottesdienst herrscht gespannte Erwartung. Einige Gläubige warten draußen mit den Prozessionswappen ihrer Gemeinden, während in der Kirche der Rosenkranz gebetet wird. Im Rosenkreuzgang der Kirche, dessen Pfeiler die Namen der Gefallenen tragen, versammeln sich die Presbyter, die Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten, um sich in weiße Gewänder zu kleiden; der Maronit Pater Gabi trägt schwarz: Schließlich geht es um die Gemeinden anderer Sprachen aber auch anderer Riten. Draußen stehen seit Stunden aufgeklappte Bänke und Tische für die Erfrischung im Anschluss an die Zeremonie.
Um 15 Uhr ist es dann soweit. Die festliche Musik der Orgel- und Blasmusik löst die Spannung des Wartens auf. Die Kirche ist voll. In der Mitte des Altars singt die Kantorin Nadine Monteforte in verschieden Sprachen. Die Zelebranten und die Ministranten ziehen in die Kirche ein.
Die Anrufung "Maria, Königin des Friedens" ist der Kern der Hochamtshomilie des Hauptzelebranten, Domkapitulars Georg Franz. Maria gibt uns die Gabe der Einheit und des Friedens; daher: „Bleiben wir nicht bei der Verehrung. Folgen wir Maria, damit wir Frieden in unseren Herzen tragen, die die Welt braucht”. Und die Gläubigen folgen ihr: Der Prozessionszug mit der Marienstatue auf einem prächtigem Sockel weißer Blumen wird durch Gesang begleitet und zieht einige neugierige Blicke auf sich. Die zierliche Statue ist doch schwer und wird abwechselnd von sowohl Männern, als auch Frauen getragen. Nach dem sakramentalen Segen vor der Kirche ist Zeit für Verpflegung und Gespräche.
Brasilianerin Sheila aus der portugiesischen Gemeinde in Wiesbaden fühlt den Geist der Gemeinschaft, der das jährlich im September stattfindende Fest einzigartig macht. „Ich bin zum ersten Mal da. Es ist wunderschön, buntgemischt“, sagt sie. Andrea und Mattea aus Wiesbaden, die in kroatischer Tracht gekommen sind, tragen bei der Prozession die Wappen ihrer Gemeinde. Nach getaner Arbeit sind sie entspannt: „Diese Gemeinsamkeit ist besonders: Dass verschiedene Nationen, alle das Gleiche feiern“.
Eine Initiative aus der Basis
Der Gottesdienst ist aus einer Initiative des Rates der Gemeinden entstanden. Er kommt aus der Kirchenbasis und darauf sind die Gemeinden stolz. Marina Paolella-Di Marco aus der italienischen Gemeinde Bad Homburg gehört seit zehn Jahren zu der gut erprobten AG „Mariengottesdienst“. „Die Idee war, etwas zu haben, das uns alle Gemeinden anderer Muttersprachen verbindet, und zwar die Verehrung der Gottesmutter", sagt sie. Deshalb habe man etwas tun wollen, was hier nicht üblich ist, und zwar eine Prozession. "Nirgendwo außer in Bayern wird die Marienstatue durch die Straßen getragen. Dieser Akt verbindet uns."Damir Lonkarević habe die Idee gehabt, einen jährlichen Gottesdienst zu Mariä Geburt zu feiern. Der Ort spielt dabei eine Rolle, denn die Frauenfriedenskirche ist besonders: Sie ist die zentrale Gedächtniskirche für die Toten und Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges bundesweit. Sie entstand aus der Initiative des Katholischen Deutschen Frauenbundes als Ort des Gedenkens und ist Maria, Königin des Friedens, gewidmet.
Ein Fest für alle Gemeinden
„Es ist ein Fest, das man sich auch für deutsche Gemeinden vorstellen und wünschen würde: ganz viele sind aus ganzen Gebieten zusammengekommen“, sagt Domkapitular Georg Franz. „Alle hier sind Mitglieder von Gemeinden anderen Muttersprachen, aber Pfarrer Holger Daniel, sagte mir, einige Leute seien auch aus der deutschen Gemeinde gekommen. Wichtig ist die gemeinsame Basis, auf der wir unterwegs sind.“
Alle Menschen auf der Erde sind gleich, unabhängig von der Nationalität. Wir gehören alle zusammen.
Ante aus der kroatischen Gemeinde
Das Marienfest "Mutter aller Völker" hatte im vergangenen Jahr sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Im elften Jahr gab es nun eine wesentliche Neuerung bei der musikalischen Begleitung. Die Orgelmusik mit Benedikt Milenković, dem Bläserensemble unter der Leitung von Mario Roth und der Kantorin Monteforte. Alexandra Schumann, Diözesanreferentin für die Katholiken anderer Muttersprache, erzählt mit Begeisterung: „Dieses Jahr haben wir ausprobiert, die internationale Gemeinschaft auch im Gesang zusammenzuführen, um eben das Gemeinsame zu betonen, sodass jeder sich angesprochen fühlt. Bei diesem Gottesdienst geht es darum, den gemeinsamen Nenner unter vielen Kulturen zu unterstreichen, den Glaube an Jesu, an Maria, Gottesmutter. Das sollte sich in der Musik widerspiegeln. Deswegen haben wir einige lateinische Gesänge, die alle kennen aber auch zum ersten Mal Gesänge aus Lourdes, die jeder in seiner Sprache singt.“
Man fühlt sich wie Zuhause
„Die Feier Mariä Geburt ist die einzige Gelegenheit, uns gegenseitig kennenzulernen und wiederzusehen, und das ist ein schöner Moment, der die Einheit stärkt“, sagt Marina Paolella - Di Marco hinter dem Tresen mit leckeren Spezialitäten, die auch Heribert Schmitt gerade probiert hat. Schmitt hat das Marienfest viele Jahre mit Leib und Seele begleitet und mitorganisiert als Referent für die Gemeinden anderer Muttersprache. Heute ist er der Referent für die Einführung und pastoraltheologische Begleitung der Priester aus der Weltkirche. Was ist es für ein Gefühl, heute hier zu sein? „Es ist das Gefühl nach Hause zu kommen. Für mich war und ist Weltkirche mein Leben. Ich war selber in der Weltkirche in Südamerika, habe dann mit Gemeinden anderen Muttersprache und jetzt mit den Priestern aus der Weltkirche gearbeitet, das passt irgendwie zusammen. Ich bin sehr gerne hier und ausnahmsweise ganz entspannt dieses Mal.“
Neue Kräfte beim Aufräumen
Das Fest geht langsam zu Ende, es wird aufgeräumt und sauber gemacht. Für Ante aus der kroatischen Gemeinde, in weißem Hemd und schwarzer Hose, wie die anderen Helfer auch, ist das Marienfest ein wichtiger Ausgleich im Leben: „Wir danken Gott, wir sind alle gläubig und machen das alles gerne. Es ist absolut schön, dass wir zusammen feiern. Alle Menschen auf der Erde sind gleich, unabhängig von der Nationalität, wir gehören alle zusammen. Wir beten zu Maria, dass wir alle menschlich bleiben, dass der Frieden bleibt. So kommunizieren wir, und nicht mit Waffen.“
Die jungen Leute schließen die Bänke und stellen sie übereinander, Inaki arbeitet mit und koordiniert die Gruppe mit ansteckender guter Laune. Es ist sein erstes Mariä-Geburt-Fest, trotzdem scheint er schon ganz angekommen. Inaki Blanco Pérez ist seit letztem Mai Referent für die Katholiken anderer Muttersprache. Für ihn zeigt dieses Fest den Universalismus der Kirche, die Katholizität eben: „Das Zentrum unseres Glaubens ist Christus, egal woher wir kommen. Wir feiern zusammen, dass Christus unser Retter ist. Wir sollen zusammen feiern, zusammen glauben und zusammenarbeiten, obwohl wir unterschiedlicher Mentalität sind und unterschiedliche Art haben, unseren Glaube zu äußern.“ Und dieses Zusammensein betrifft auch die deutschsprachigen Gemeinden: „Es ist immer diese Gedanken, dass die Gemeinde anderer Muttersprache nur für Ausländer sind, aber das ist falsch. Die meisten sind hier geboren, haben einen deutschen Pass, sie haben einen Migrationshintergrund oder sie haben Beziehungen in den Gemeinden. Es wäre schön, wenn wir mehr miteinander, die deutschsprachige und anderssprachige Gemeinden mehr zusammenarbeiten würden. Nicht nur bei Feiern, nicht nur bei Gottesdiensten, sondern auch bei anderen Projekten, zum Beispiel sozialen Projekten. Es ist ein langer Prozess, aber wir sind auf dem Weg.“
Text: Paola Colombo-Beck